Aktuell wird der Strompreis für Bezug und Lieferung, Endkunde wie Industrie über viele verschiedene Mechanismen gebildet und vereinbart: Es gibt "over the counter"-Verträge (recht individuell, meist langfristig) und die Strombörse (EEX). An der Strombörse gibt es wiederum verschiedenste Produkte je nach Staffelung in die Zukunft "futures") - und dann gibt es noch eigene Märkte für Regelenergie.
Der Gesetzgeber entscheidet wiederum noch immer über Einspeise- und Bezugstarife (Nachtstrom, Wärmepumpenstrom) und greift damit in einen eigentlich, natürlich freien Markt ein. Davon abgesehen gibt es einen scheinbaren Wettbewerb gegenüber dem Endkunden: Obwohl sich physisch nichts ändert, hat der Kunde die Illusion, der Strom käme bei einem anderen Anbieter aus anderen Quellen. Zertifikate verschleiern diese Situation zusätzlich: Während ein Kunde in München den Eindruck hat, über ein Zertifikat mit Wasserkraftstrom aus Norwegen versorgt zu werden, werden die Norweger - die das Zertifikat ihrer realen Talsperre verkauft haben - sich keine Sorgen machen daß nun plötzlich ihr CO2-Ausstoß zugenommen hat: Sie sehen ja, wenn sie aus dem Fenster sehen ihre reale Talsperre. Es müssen nicht einmal Leitungen gebaut werden die in der Lage wären den Strom auch physisch zu liefern! Daß die EU den Bürgern am Wasserkraftwerk nun plötzlich Kohleemissionen zurechnet interessiert sie - verständlicherweise - nicht.
Dieses relative Chaos und die Einladung zu Korruption ist der Geschichte, den besonderen Umständen einer überall um sich greifenden Liberalisierung um jeden Preis geschuldet.
Diese Preisgestaltung wird aber dem Umstand kaum gerecht, daß in Zukunft Sonnenstrom zur Mittagszeit sehr billig bis umsonst sein könnte (da im Überschuß vorhanden), während nachts im WInter bei Windflaute teure Kraftwerke anlaufen müssen, die bald weniger als 1000 Stunden pro Jahr laufen werden. Erdgas, Kohle oder Erdöl werden nicht mehr zur Verfügung stehen.
Man könnte also zum Schluß kommen, daß der Strompreis am besten an der Strombörse gebildet werden sollte - wie es auch heute der Fall ist (allerdings leider nur für einen Teil des Stroms!)
Durch einen durch Verträge künstlich abgefederte, mittlere Strompreise wird der Gesellschaft nicht klar, daß Strom nachs im Winter um ein Vielfaches teurer sein müßte als tags im Sommer.
An der Börse werden wiederum Viertelstunden- oder Stundenpakete verkauft und es werden "Leistungsbänder" z.B. über ein ganzes Jahr hinweg vereinbart, so als hätten wir nach wie vor eine Versorgung mit Grundlastkraftwerken wie in den 80er Jahren.
Diese Art des börslichen Handels stützt sich zwar auf Vorhersagen von Wind und Sonne und auf Temperaturkurven (Heizbedarf), Regelmäßigkeiten des Bezugs aber alle "Fehler" dieser Voraussagen, Ausfälle, Unplanbarkeiten, internationaler Handel usw. müssen technisch dennoch von real existierenden Kraftwerken bedient werden.
Da an der Börse diskrete Minutenpakete verkauft werden (15 oder 60 Minuten), kann sich der Börsenpreis nur alle 15 Minuten ändern, dann aber recht massiv, - es gehen Kraftwerke vom Netz, andere schalten zu. Bei jeder dieser Schalthandlungen sinkt oder steigt die europäische Verbund-Netzfrequenz bereits heute wahrnehmbar und deutlich: Diese "rigiden" Preissprünge sorgen folglich für technisch eigentlich unnötige Störungen der Frequenz.
Folglich muß eine erhebliche und immer noch größer werdende Menge und Leistung an Regelenergie bereitgehalten werden, welche dabei gar keine technischen Nichtverfügbarkeiten ausgleicht sondern rein dem Markt folgen.
Darüber hinaus sorgt die "Illusion der Kupferplatte" in Deutschland dafür daß im Norden oft Kraftwerke angehalten (aber dennoch vergütet) werden müssen, während im Süden in derselben Zeit scheinbar niedriger Strompreise zusätzliche fossile Quellen angefeuert werden müssen (sog. Redispatch). Diese Redispatchkosten summieren sich bereits heute im Milliardenbereich.
Der Stromhandel verzerrt also die reale, zu jeder Sekunde sich neu herstellende Marktsituation.
Betreiber von Speichern können ihre Leistungen bisher ebenso nur in den 15- oder 60 Minutenpaketen anbieten, während moderne Leistungselektronik es ermöglchen würde daß die Batterien mit ihren hochmodernen Wechselrichtern ganz allein 100% der Regelenergie komplett und dezentral mit übernähmen - wenn sie denn auf Regelgrößen wie Frequenz und Auslatung von Leitungen reagieren würden.
In diese Lücke stößt der hier vorgestellte Vorschlag.
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Die Verteilung von Energie in Form von 100% erneuerbarem Strom birgt einige Herausforderungen, und zwar technische, vertragliche, juristische und administrative.
So wird Strom in Zukunft nachts oder bei Windflauten wesentlich teurer sein müssen als im Sommer tagsüber, weil das den realen und physikalischen Gegebenheiten entspricht: Im Sommer wird das Angebot den Bedarf bei weitem übersteigen, der "Überschuß" muß organisiert werden ohne ihn zu verschwenden - im Winter ist es umgekehrt: Große Strommengen müssen vom Tag zur Nacht und vom Sommer zum Winter gespeichert werden.
Was den Sommer angeht sind wir "über den Berg" weil von März bis etwa Oktober zuverlässig jeden Tag ausreichende Mengen Sonnenstrom eingefangen werden können und zwar mit niederen Kosten. Selbst die Speicher zur Verlagerung der Solarproduktion in die Nacht tragen nur wenige Cent zur Stromrechnung bei, das werden wir bald merken.
Vermutlich werden wir in wenigen Jahren genug Lithium-Eisenphosphat- oder Natriumspeicher haben um selbst die "Überprodution" an Wochenenden über die Werktage zu verteilen.
Die Verlagerung von "Überproduktion" vom Sommer zum Winter wird definitiv nicht mit Lithium- oder Natriumakkus geschehen.
Was uns hilft ist, daß Windstrom im Winter besser verfügbar ist als im Sommer.
Dabei ist es extrem wichtig, daß die richtigen Anreize gesetzt werden um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Wenn es so weitergeht wie bisher kaufen sich private E-Auto-Besitzer z.B. eine "Wallbox" um ihr Auto daheim und über Nacht langsam zu laden. In diesem Moment kann jedoch das Netz fast nur gespeicherten Strom bereithalten, dessen Produktionskosten natürlich teurer oder sogar wesentlich teurer sein müssen als wenn der Strom aus einem Windüberschuß oder bei Sonnenschein getankt würde. Volkswirtschaftlich muß die doppelte Menge Speicher aufgewendet werden als eigentlich nötig. Dies wird uns Wettbewerbsnachteile gegenüber klügeren Ländern und einen noch weiter verzögerten Ausbau der Erneuerbaren-Infrastruktur bescheren, unnötige und langwierige Investitionen in Kupfernetze usw.
(So gibt es zum Beispiel nicht mal eine öffentliche Abschätzung der Wirtschaftlichkeit der gerade gebauten "Südlink"-Stromtrasse quer durch Deutschland.)
Man könnte zudem die E-Auto nicht nur bevorzugt tagsüber laden (beim Arbeitgeber, beim Einkaufen?) sondern nachts Teile der E-Autobatterie als Speicher für das öffentliche Stromnetz bereitstellen: Wenn man weiß daß man morgen und übermorgen nur kurze Strecken fahren wird kann man mit einem Teil seines Autospeichers das Netz stützen und Speicherkosten vermeiden (Stichwort "vehicle-to-grid" V2G)
Genauso müßten Potentiale der zeitlichen Verlagerung des Strombezugs gehoben werden: In vielen Fällen erspart es massive Speicher, z.B. Metallverhüttung, aber auch den Betrieb von Wärmepumpen in die Stunden des Strom-Überschusses zu verlegen: Die Masse eines Hauses allein kann für ein paar Stunden Wärme speichern und "in die Nacht verlagern".
Wie das konkret und ohne wesentliche technische Eingriffe, schnell, fair und unbestechlich zu lösen sein würde, beschreibt diese Webseite.